Hallo Leute,
einen Rennbericht, der schon seit 6 Wochen überfällig ist? Ob ich ihn überhaupt noch fertig schreiben beziehungsweise veröffentlichen soll? Warum eigentlich nicht. Zumindest wird er nicht ganz so mit Enttäuschungen und Frust übersäht sein, wie er vielleicht direkt nach dem Rennen entstanden wäre. Denn mittlerweile ist die Zuversicht und Hoffnung auf einen persönlichen Erfolg im nächsten Rennen zurückgekehrt und ich bin schon lange wieder im Training. Das im Übrigen extrem gut läuft, dazu aber in einem der nächsten Einträge mehr.
Machen wir also eine kurze Reise in den Mai, zurück zum Ironman Santa Rosa und dem zugehörigen Urlaub. Ich hatte in der Vergangenheit festgestellt, dass ich nicht der Typ bin, der jedes Jahr zum gleichen Ironman fährt um dort Jahr für Jahr an den Start zu gehen. Ich hab Lust, den Sport auch dafür zu nutzen, Dinge zu sehen, die ich schon lange sehen wollte. So fiel die Entscheidung relative früh auf Santa Rosa, denn ich wollte unbedingt die Westküste der USA besuchen. Los Angeles, San Francisco, South Lake Tahoe, Yosemite National Park, Death Valley, Las Vegas, Grand Canyon National Park und zum Abschluss noch den Joshua Tree National Park. Das war die ausgeklügelte Route mit einem längeren Stopp in Santa Rosa in der Nähe von San Francisco.
Die Vorbereitung lief phantastisch, zahlreiche Laufbestzeiten und gute Trainingsergebnisse machten Hoffnung auf ein super Rennen. Ich konnte das Training von Oktober bis Mai komplett durchziehen, war nicht verletzt oder krank. Einfach perfekt, insbesondere wenn man sich anschaut, was vor meinen letzten Rennen immer so los war! Auch der Flug und die Anreise nach Santa Rosa, sowie die Tage vor dem Rennen waren extrem entspannt, der Fokus lag zwar total auf dem Rennen aber bei Weitem nicht so verkrampft und angespannt wie sonst. Ich weiß, dass ich extrem gut vorbereitet bin und an einem guten Tag weit vorne landen kann.

Gut zu erkennen: Ich (ganz rechts im Bild) bin fertig, die anderen gehen auf die zweite Runde!
Schwimmen (3,8 km in 1:05 h)
Schwimmen war noch nie meine Stärke und wird es auch nie werden. Trotzdem freue ich mich ausnahmsweise fast darauf. Der Lake Sonoma, rund 50 Kilometer nördlich von Santa Rosa ist einfach eine traumhafte Gegend. Es gilt, zwei identische Runden zu schwimmen, wobei es nach der ersten Runde einmal kurz an Land geht, ein sogenannter Australien Exit. Mit einer Zielzeit von 1:00 Stunde reihe ich mich ich dann zusammen mit Tim Janke relativ weit vorne ein. Die erste Runde ist mit knapp über 30 Minuten und sehr konservativ geschwommen absolut das, was ich kann und will. Mein Vorhaben, die zweite Runde mindestens genauso schnell zu schwimmen wird dann aber durch ein organisatorisches Desaster verhindert, das mir erst mit dem Landgang bewusst wird.
Dazu ein kleiner Exkurs: Ironman hat bei fast allen Rennen für ein entspannteres Schwimmen den Rolling Start eingeführt. Heißt: alle Athleten stellen sich gemäß ihrer erwarteten Schwimmzeit in der Reihe auf und die individuelle Rennzeit wird im Gegensatz zum Massenstart erst dann gestartet, wenn man eine Zeitmessmatte am Wasser überschreitet. So können die schnellen Schwimmer vorne weg schwimmen und die langsameren Schwimmer sollen entspannt ihr Tempo schwimmen. Keiner kommt dem anderen in die Quere und alle sind zufrieden. Soweit die Theorie. Insgesamt rund 30 Minuten nach dem ersten Schwimmer, geht der letzte Athlet am Start ins Wasser. Moment. 30 Minuten? Zwei komplett identische Runden? Das heißt dass die langsamen Schwimmer auf ihre erste Runde gehen, wenn die schnellen Schwimmer ihre zweite Runde starten. Großartig. Wir haben also alle Athleten vor uns, die sehr langsam schwimmen und müssen im Slalom da irgendwie durch, völlig unerwarteten Brust-Beinschlägen ausweichen und zum Teil weit weg von der Ideallinie viel Zeit liegen lassen.
Dementsprechend wird meine zweite Runde deutlich langsamer und ich bin genervt, also ich nach 1:05:31 Stunden meinen 400 Meter langen Weg in die Wechselzone antrete. Dass ich über 4 Kilometer geschwommen bin sehe ich bei einem kurzen Blick auf meine Uhr, dass die Führenden nicht weit weg sind, erzählt mir Tine kurz bevor ich aufs Rad steige. Gute Info, die mich beruhigt und motiviert. Meine Disziplinen kommen auch erst noch.
Radfahren (180 km in 4:58 h)
Auf meinem Rad angekommen merke ich schnell, dass ich heute richtig gute Beine habe. Von Anfang an kann ich Druck machen und hole schnell ein paar Athleten ein, dann wird es erstmal extrem einsam auf dem Rad. Weit und breit niemand zu sehen. Zum Glück sind wir die Strecke vorher zum Teil mit dem Auto abgefahren, sonst hätte ich mir wohl ernsthaft Gedanken gemacht, ob ich überhaupt noch richtig bin. Die Verpflegungsstellen nutze ich nur um etwas Wasser aufzunehmen, spüle meine Salztabletten runter und kühle mich ab. Tine sehe ich dank perfektem Timing und großem Einsatz bei Kilometer 30 und 70. Die wichtigste Info: Mein VfB Stuttgart hat gegen die Bayern gewonnen. YES! Außerdem bin ich nur 3 Minuten vom Podium in meiner AK entfernt. Nochmal YEAHHH! Und weiter geht es. Bei Kilometer 110 bin ich dran und schreie ihr zu, dass ich mich super fühle, das Tempo aber etwas reduzieren muss. Schönen Gruß an die Jungs und Mädels in die whatsapp-Gruppe!
Immer noch bin ich auf einem Kurs von deutlich unter 4:50 Stunden, das nächste Zwischenziel in greifbarer Nähe. Die letzten Kilometer werden dann trotzdem irgendwie zäh. Ich hab keinen Bock mehr auf Verpflegung, keine Lust und keinen Drang etwas zu essen oder zu trinken. Ich würde mir nur so unfassbar gerne die Zähne putzen! Auf einmal kommt außerdem richtig kräftiger Wind auf, der auf den letzten Kilometern selbstverständlich von vorne noch einmal alles an Willen und Kraft raubt. Da ich weiß, dass ich im Moment eine Bomben-Laufform habe, sehne ich die zweite Wechselzone herbei und tatsächlich: ich ja, freue mich auf den Lauf!

Tolles Rennen bis dahin! Platz 5 mit Kontakt nach vorne und fast alleine auf der Laufstrecke!
Laufen (5:08 h)
Langsam, langsam, langsam. Das sind die Worte, die ich mir mantramäßig auf den ersten beiden Kilometern vorsage. Nicht zu schnell los, das rächt sich am Ende. Mein Trainer Mario hat mir für die ersten Kilometer einen genauen Plan vorgegeben. Auch die Worte von Mathias Müller habe ich immer im Ohr: Junge, bleib ruhig vor allen Dingen auf den ersten Kilometern des Marathon. Auf den ersten Kilometern läuft es prima, dann darf ich etwas beschleunigen, muss mich dennoch permanent bremsen um nicht schneller zu laufen also die angepeilten 4:45 Minuten pro Kilometer. Ich greife bei den Verpflegungsstellen zu, kalte Cola, ein Genuss. Bei Kilometer 8 nehme ich mir wieder einen Becher, doch diesmal zieht es mir den Magen zusammen und alles kommt wieder hoch. Nachdem alles raus ist, geht es weiter, ich überlege was passiert ist und was ich jetzt mache, laufe aber einfach weiter. Bis zur nächsten Verpflegungsstelle. Das gleiche Spiel, dann wird mein Magen krampfig und der Bauch total hart. Nichts geht mehr. Die verzweifelten Versuche aus dem Gehen etwas zu beschleunigen muss ich sofort abbrechen. Immer wieder Übergeben, immer wieder stehen bleiben. Daran sollte sich dann für die nächsten 2 Stunden nichts ändern. Nichts aber auch wirklich gar nichts hilft. Aussteigen kommt nicht in Frage. Tim überholt mich noch in der ersten von drei Runden, versucht mir zu helfen und schreit mich an, dass ich das Ding durchziehen soll. Danke nochmal an dieser Stelle Tim, das ist großer Sportsgeist.
Von Tine, die mich phantastisch unterstützt, verabschiede ich mich nach 28 Kilometern mit der Aussicht auf ein Finish in zwei Stunden Doch nach knapp 10 Stunden Wettkampf und mit Beginn der letzten Laufrunde beruhigt sich der Magen wieder. In der Zwischenzeit habe ich versucht, Cola im Mund zu spülen und dann auszuspucken, damit Energie über die Schleimhäute aufgenommen wird. Ich trabe langsam los und schon kurz danach kann ich wieder eine Pace laufen, die unter 5:00 Minuten pro Kilometer liegt. Nach 11:20 h ist das Drama dann beendet. Weit weg vom erhofften Ziel, für das ich viel investiert und fast täglich trainiert habe. Die Enttäuschung entlädt sich im Ziel dann und es fließen erstmal Tränen. Tränen der Enttäuschung und Verzweiflung. Wieso bekomm ich es auf der Langdistanz einfach nicht hin. Verflucht. Nochmal.
Fazit
Das Rennen in Santa Rosa ist ein Traum. Ich konnte ein starkes Rennen zeigen, zumindest bis Kilometer 8! Was dann passiert ist klären wir. MÜssen wir klären, denn ich bin für den Ironman Hamburg gemeldet. Den werde ich definitiv nicht machen. Seit der Bekanntgabe der Radstrecke ist das Renne für mich genauso uninteressant und sportlich unfair wie die Wettkämpfe in Barcelona und Texas. Ich werde mir anschauen, wie sich am Deich große Pulks bilden werden und mein Sportsgeist für ein faires, windschattenfreies Rennen, mit Füßen getreten wird. Ich suche mir ein ehrlicheres Rennen um für mich einen versöhnlichen Ironman-Abschluss in diesem Jahr zu finden.
Ich würde gerne nochmal nach Santa Rosa, vielleicht im kommenden Jahr. Oder doch was ganz anderes? Mal sehen, im Moment brenne ich jedenfalls wieder für den Sport, für den Triathlon, für die Langdistanz. Trotz oder gerade wegen des vielen Trainings? Mal sehen wohin der Weg noch führt!
Schöne Grüße
Euer Matthias