Hallo Leute,
nachdem ich mit meinem Rennen auf Rügen überhaupt nicht zufrieden sein konnte, kam mir relativ spontan die Idee, ein weiteres Rennen zu machen und gleichzeitig die Chance zu nutzen, dem kalten und hässlichen Wetter in Deutschland zu entfliehen. Ziemlich schnell bin ich dann auf den Ironman 70.3 Türkei gestoßen und habe mich entschlossen, ein paar Tage nach Belek zu fliegen. Ich freue mich unglaublich über die Begleitung von Mathias Müller, der nicht nur am Wettkampftag einen unglaublichen Supporter-Job macht, sondern auch als Reisebegleitung mit jeder Menge Witz und Spaß eine echte Bereicherung ist. Vielen Dank dafür mein Lieber!
Ich möchte keine hier große politische Diskussion vom Zaun brechen, nachdem ich aber von zahlreichen Leuten angesprochen wurde, sollen meine Überlegungen zu einer Reise in die Türkei nicht ganz außen vor bleiben. Ja, ich habe darüber nachgedacht, ob es politisch korrekt ist, in der aktuellen Situation dorthin zu fliegen. Ich kann auch verstehen, wenn manche Leute sagen: Sowas macht man nicht. Auf der anderen Seite ist jedoch die Frage, ob ich mit einer Reise dorthin ein politisches Statement abgebe oder ich mit einem Verzicht etwas ändern kann? Sicherlich nicht ganz einfach zu beantworten, ich habe aber für mich entschieden, dass ich nach Belek fliege und dort meine (europäischen) Werte hoch halten und vermitteln möchte. Damit kann ich eventuell mehr erreichen, als wenn ich zuhause bleibe und mir Alles im Fernsehen anzuschauen. Ob ich ohne den Ironman in die Türkei geflogen wäre? Wohl eher nicht. Und so verbindet der Sport dann eben doch.
Die Anreise über Antalya verläuft absolut problemlos und entspannt und ich kann den Samstag nutzen, um alle notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Registrierung, kurze letzte Ausfahrt und ein kleiner Lauf mit Mathias auf der Laufstrecke bevor es zum Bike-Check-In geht. Der Gloria Ironman 70.3 Türkei findet übrigens direkt im Gloria Serenity Resort statt (Schwimmstart direkt am Hotelstrand, Wechselzonen auf der Zufahrt zum Hotel) und so habe ich uns auch direkt in das 5,5 Stern Hotel eingemietet. Was für ein Luxus! Damit meine ich sowohl Zimmer und die gesamte Anlage als auch die kurzen Wege für den Wettkampf. Es ist schon großartig wenn man zum Bike-Check-In nur aus der Lobby stolpern und zum Schwimmstart nur zum hoteleigenen Strand spazieren muss. Nur kurz vor der Abgabe des Rads kommt kurz Hektik auf. Die Ventilverlängerung am Vorderrad scheint kaputt zu sein, ich kann aber auf den allerletzten Drücker noch mit dem letzten Shuttle-Bus zur Messe fahren und dort für teures Geld Ersatz besorgen. Im Endeffekt unnötig, weil der Reifen über Nacht keine Luft verloren hat, für den ruhigen Schlaf vor dem Wettkampf war die Anschaffung allemal sinnvoll. Trotzdem, sowas braucht kein Mensch.
Der Wettkampf – Schwimmen (00:31:26 Stunden)
Das Schwimmen verläuft mal wieder überhaupt nicht nach meinen Vorstellungen. Anspruch und Wirklichkeit liegen in der ersten Disziplin einfach zu weit auseinander. Auf der ersten Hälfte kann ich noch einigermaßen im Plan bleiben, leider zerstört mich der Australian Exit (kurzer Landgang nach 1,2 Kiloemtern) völlig. Dieser Landgang bricht komplett meinen Rhythmus und ich komme überhaupt nicht mehr in die Gänge. Die Gruppe, in der ich mich vor dem Ausstieg noch recht wohl gefühlt habe, kann ich nicht halten und so verliere ich auf dem zweiten Teilstück (700 Meter zum endgültigen Schwimmausstieg) noch einmal deutlich Zeit. Ich bin froh, dass es vorbei ist und laufe mit großer Vorfreude auf das restliche Rennen Richtung Wechselzone. Eine kleine Besonderheit bietet das Rennen in Belek auf dem Weg vom Schwimmausstieg zum Rad, denn der Weg in die erste Wechselzone führt direkt durch die Lobby des Hotels. Das habe ich so auch noch nie erlebt.
Die Platzierung nach dem Schwimmen:
Age Group Rank 19, Overall Rank 75
Der Wettkampf – Radfahren (02:16:16 Stunden)
Der Wechsel klappt super und vorm ersten Moment an fühlt sich das Radfahren an diesem Tag wahnsinnig gut an. Im Vergleich zum Rennen auf Rügen hat sich hier auch nochmal einiges getan. Ich hatte nicht nur richtig gute Trainingseinheiten, dank dem Fitting von Ben Foks im Specialized Concept Store sitze ich deutlich besser auf dem Rad. Außerdem fühlen sich die Q-Rings von Rotor sensationell an. Ein völlig neues Gefühl, das ich nie wieder hergeben möchte. Bisher ist nur das Shiv mit ovalen Kettenblättern ausgestattet, das Rennrad wird definitiv bald folgen. Darüber werde ich aber demnächst separat berichten.
Auf den ersten Kilometern bin ich relativ alleine unterwegs. Ich hab gerade mal zwei oder drei Atlethen in Sichtweite, alle mit sehr großen Abständen. Ich fliege geradezu über die Strecke und ein Blick auf die Uhr bei Kilometer 40 zeigt, dass meine Fahrzeit knapp unter einer Stunde beträgt. Durchschnittsgeschwindigkeit über 40 Kilometer pro Stunde. Das macht mir auf der einen Seite Sorgen, so schnell war ich noch nie unterwegs und ich überlege ob ich wohl überpace. Auf der anderen Seite fühlt sich alles total kontrolliert und gut an. Also Kopf runter und weiter.
Nur kurz danach wird das Feld etwas dichter und ich habe wohl offensichtlich die Lücke zu einigen besseren Schwimmern zufahren können. Leider entwickelt sich jetzt eine Situation, die ich überhaupt nicht leiden kann. Es bildet sich um mich herum eine Gruppe. Windschattenfahren ist verboten, leider scheint das nicht jeden Athleten zu interessieren. Das alte, leidige Thema. Ich möchte damit nichts zu tun haben und versuche mich von der Gruppe zu lösen. Das bedeutet, dass ich mit deutlichem Geschwindigkeitsüberschuss an der Gruppe vorbei fahre und hoffe, dass sich niemand an mein Hinterrad hängt und mitfährt, ich ein Loch reißen und dann in Ruhe weiter fahren kann. Die Realität sieht leider anders aus und ich ziehe jedesmal irgendjemanden mit nach vorne. Die Gruppe hängt sich dann also an mein Hinterrad und kurz danach überholt mich wieder jemand aus der Gruppe. Der schert dann vor mir ein, lässt die Beine hängen und das wars. Damit muss ich mich wieder durchreichen lassen und das Spiel fängt von vorne an. Vorbei an der Gruppe, hoffen dass ich weg komme, der nächste Versuch scheitert und ich muss mich wieder ohne Druck aufs Pedal ans Ende zurückfallen lassen. Insgesamt starte ich mindestens zehn Ausreisversuche oder mehr. Alle nicht von Erfolg gekrönt. Das nervt mich tierisch und ich investiere mal wieder viel zu viel Energie ins wütend sein und schimpfen. Böse Zungen behaupten, die Nackenschmerzen am nächsten Tag kommen vom vielen Kopfschütteln.
Kurz vor dem Wendepunkt bei Kilometer 60 kommt mir der Führende entgegen. Knapp dahinter fahren nochmal zwei Leute. Ich fahre in diesem Moment an der Spitze meiner blöden Gruppe und während ich überlege wie ich die elenden „Lutscher“ los werde, denke ich darüber nach wie weit ich wohl insgesamt nach vorne gefahren bin. Vor mir sehe ich keinen Sportler, der Wendepunkt ist nicht mehr weit entfernt. Ich beschließe zu zählen. Der Führende war durch, danach noch zwei. Es kommen Nummer vier, fünf und sechs. Dann nochmal drei Leute. Neun. Der Wendepunkt. Grinsen, Freude, Gänsehaut. Ich bin overall auf dem zehnten Platz. Top ten! Wahnsinn und eigentlich nicht zu glauben. Ich spreche leise vor mich hin: “Ruhig bleiben Facki. Du hast noch 30 Kilometer Rad und 21 Kilometer Lauf vor dir. Bleib ruhig. Noch ist nichts gewonnen.” Kurze Pause. Dann: “Jaaaaaaaaa, wie geil ist das denn!? Mach was draus Matthias. Das ist dein Rennen!”
Es geht also mit gemischten Gefühlen weiter. Aber die Freude überwiegt. Auch die Gruppe ist mir egal. Ich will keine Energie mit sinnlosen Ausreisversuchen verschwenden. Der Referee der uns begleitet macht keinerlei Anstalten auch nur im Ansatz etwas zu tun also setze ich mich ans Ender der Gruppe und fahre mit deutlichem Abstand Richtung zweitem Wechsel. Die zehn Leute in der Gruppe veranstalten ein herrliches Mannschaftszeitfahren. Nur ein Belgier hält sich ebenfalls aus dem Thema raus. Kurz vor dem Ende der Radstrecke unterhalten wir uns, ich wünsche ihm einen guten Lauf und hätte nicht gedacht, dass wir beiden gleich noch ein interessantes Erlebnis vor uns haben.
Die Platzierung nach dem Radfahren:
Age Group Rank 8, Overall Rank 21
Der Wettkampf – Laufen (01:28:41 Stunden)
Ich möchte einen schnellen Wechsel hinlegen, also fix runter vom Rad und rein in die Laufschuhe. Durch den Lauf mit Mathias am Vortag weiß ich, was auf mich zukommt. Eine hügelige Strecke, Teile der Strecke über Sand, Wiese und Pflaster. Ein Halbmarathon also ohne Aufsicht auf jeden Rhythmus. Dafür bekomme ich gleich von Beginn an nette Gesellschaft. Der Belgier, der im Gegensatz zum Rest sauber gefahren ist. läuft direkt mit mir aus der Wechselzone. Ich klemme mich dahinter. Das Tempo passt, fühlt sich gut an auch wenn es schneller ist, als geplant. Es geht durch die Hotelanlage rüber zum Golfplatz. Mathias steht bei Kilometer 2 und ist aus dem Häuschen. Top 20 ruft er mir zu. Es fühlt sich großartig an. Hügel rauf, Hügel runter, Wiese, sandige Strecke rauf, dann endlich ein paar Meter ebene Strecke. Mathias ist einmal quer über den Golfplatz gerannt und steht wieder da. “halte dich nicht zu lange mit ihm auf, wenn du stärker bist, dann geh vorbei!” Ich laufe immer noch hinter dem Belgier her, mit unter 4 Minuten pro Kilometer. Anschlag. An vorbei gehen ist nicht zu denken.
In der zweiten Runde steht Mathias wieder an der gleichen Stelle. “50 Meter vor Euch sind noch ein paar Jungs, holt Euch die”. Ich übersetze für den Belgier, der in der gleichen Altersklasse ist, aber ich finde ihn sympathisch und wir motivieren uns gegenseitig. Bei Kilometer 12, kurz vor Ende der zweiten Runde, reißt dann aber eine kleine Lücke. Ich kann das Tempo nicht mehr halten. Ich kämpfe mich also fortan alleine über die Strecke. Immer am Limit, ständig mit dem Versuch an die Grenze zu gehen. Nach 16 Kilometern geht es aus der Anlage raus und über die Hauptstraße zur Gloria Sports Arena. Ein Stadion, in dem sich der Zieleinlauf befindet. Hier kann ich noch zwei Jungs vor mir erkennen. Und bei Kilometer 19 der Support-König Mathias. er schreit mich an. brüllt mir zu, dass ich den Kerl vor mich noch schnappen soll. Ich alles in die Waagschale werfen soll. Eigentlich bin ich völlig am Ende aber Mathias schafft es noch einmal alles aus mir heraus zu kitzeln. Ich kann beschleunigen. 50 Meter zum Vordermann. Mathias rennt neben mir her. Brüllt mich an. 30 Meter. Mathias wird langsamer, oder werde ich noch schneller? Ich höre, dass er aus der Entfernung immer noch schreit. “hol ihn dir”, “geh vorbei”, “mach es wie der Kienle!” 500 Meter vor dem Ziel kann ich den Kerl einholen und hau noch einmal alles raus. Möglichst schnell vorbei, möglichst viel Stärke vortäuschen. Ich bin platt, aber das soll er nicht merken. Nicht umdrehen. Keine Schwäche zeigen. Ich renne um mein Leben. Durch das Tor, rein in die Anlage und in der letzten Kurve noch einmal umsehen ob der Kerl wirklich weg ist. Laut Mathias hat der Kerl nichtmal gezuckt als ich vorbei bin. Das war der Plan.
Die Zielgerade ist dann ein einziges Fest. Das beste Rennen meines Lebens. Ich genieße es einfach und schreie meine Freude in den türkischen blauen Himmel. Absolute Sensation. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Mit neuer Bestzeit von 4:22 Stunden bin im Ziel. den Halbmarathon schneller gelaufen als geplant und gehofft. Der Plan ist komplett aufgegangen.
Die Platzierung am Ende:
Age Group Rank 5, Overall Rank 13

Das beste Rennen meines Lebens – 13. Platz im gesamten Feld und die Qualifikation für die Ironman 70.3 WM
Fazit
Mit diesem Rennen hab ich meiner Saison die Krone aufgesetzt und habe mir ein paar Wochen Offseason verdient. Eine einzige Frage gab es noch zu beantworten. Den Slot für die Ironman 70.3 World Championship annehmen und im nächsten September nach Chattanooga, viertgrößte Stadt des US-Bundesstaates Tennessee, fliegen? Was spricht dafür, was spricht dagegen? Passt das Rennen in den Plan für nächstes Jahr? Ich entschließe mich, den Slot abzulehnen. In Kombination mit dem bereits fest gebuchten Ironman Hamburg im August passt die WM einfach nicht in den Plan.
Die folgenden Tage in Belek sind zum Genießen geplant und genau das tun wir. Bierchen am Strand, leckeres Essen, Sauna und Entspannung. Sommer, Sonne, Stand und Meer genießen. Wir lassen es uns gut gehen, leider geht es zwei Tage später schon wieder zurück. Ich hätte noch ein paar Tage länger ausgehalten. Aber auch zuhause kann ich die Offseason genießen. Was für ein Jahr!
Liebe Grüße
Matthias